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AutorenbildTara Marth

Gähnen weckt uns auf! Wirklich!

Von neuen Forschungsergebnissen und was das für uns als soziale Wesen heißt.


Wenn jemand in unserer direkten Umgebung gähnt, gähnen wir auch. Fast immer. Gähnen ist hoch ansteckend. Darum gleich vorneweg; ich nehme es niemandem übel, der während des Lesens dieses Blogbeitrags öfter gähnt – ich will gar nicht sagen, wie oft ich selbst beim Schreiben gegähnt hab!



Gähnen besteht aus einem unwillkürlichen weiten Öffnen des Mundes mit maximaler Weitung des Kiefers, zusammen mit einem langen und tiefen Einatmen durch Mund und Nase, gefolgt von einem langsamen Ausatmen, verbunden mit einem Gefühl der Behaglichkeit. Die durchschnittliche Dauer des Gähnens beträgt 5-6 Sekunden.

Soweit dazu. Aber warum gähnen wir?


So gut wie alle Wirbeltiere gähnen – Katzen, Hunde, auch Fische, Vögel und Amphibien. Und wir Menschen beginnen sogar schon im Mutterleib zu gähnen (ab der 20. Woche)!


Ist uns also schon im Uterus besonders fad?

Nein. Die Tatsache, dass wir dort schon gähnen sagt uns, oder zumindest den ForscherInnen, die sich diesem Thema verschrieben haben, dass da noch etwas anderes dahinterstecken muss.

Wir gähnen im Durchschnitt 5-10 Mal am Tag. Die bisher erforschten Gründe dafür sind vielfältig. Vielleicht ist uns tatsächlich langweilig, oder wir sind müde, oder wir sehen eben jemanden, der gähnt. Gegähnt wird aber auch dann, wenn wir nervös oder hungrig sind, oder wenn wir uns einer neuen Aufgabe widmen.


Laut Dr. Andrew Gallup, ist das Gähnen bei FallschirmspringerInnen kurz vor dem Sprung, öffentlichen RednerInnen kurz vor dem Auftritt, und sogar bei olympischen AthletInnen kurz vor dem Wettkampf üblich und gut dokumentiert. Und das liege nicht daran, dass sie schläfrig seien.


Bis vor ein paar Jahren glaubte man, dass die primäre Funktion des Gähnens die sei, mehr, bzw. reineren Sauerstoff in unser Blut zu bekommen.

Das scheint so aber nicht zu stimmen. Widerlegt wurde diese Theorie durch eine Reihe an Studien, durchgeführt von Robert Provine et al., die zeigten, dass der Sauerstoffanteil im Blut keine tatsächlichen Auswirkungen auf die Gähnfrequenz hatte.

Trotzdem ist diese These noch immer weit verbreitet.


Wenn’s das nicht ist, was dann?


Eine mögliche Theorie kommt von Dr. Andrew Gallup. Er ist davon überzeugt, dass das Gähnen unser Hirn abkühlt. Wie? Indem durch das Gähnen die Durchblutung des Gehirns angeregt wird. Und das wiederum steigert die Wachsamkeit.


Gallup forscht seit mehr als fünf Jahren genau an diesem Phänomen. Durch seine Studien kamen er und seine KollegInnen auf das spannende Ergebnis, dass der Körper automatisch zu gähnen beginnt, wenn sich das Hirn zu sehr und zu schnell aufheizt. Das passiert vor allem am Abend, oder auch dann, wenn wir in der Früh aufwachen.

Wir brauchen ein ideal temperiertes Gehirn um optimal funktionieren zu können.

Die Gähnfrequenz verändert sich auch mit dem Klima – im Winter gähnen wir häufiger als im Sommer. Das klingt jetzt vielleicht verkehrt herum, macht aber Sinn, wenn man genauer darüber nachdenkt. Auch im Winter heizt sich das Gehirn auf, bzw. wenn der Körper kälter wird, wird nicht automatisch auch das Hirn kühler. Aber, durch die kalte Luft ist ein Gähnen sehr effektiv, um das Hirn abzukühlen. Im Sommer, mit der äußeren Hitze, bringt uns ein Gähnen nicht so viel. Und da greift der Körper auf klassische Kühlreaktionen zurück; wir schwitzen und rasten vermehrt.


Alles sehr spannend, finde ich.

Was aber wirklich cool ist, ist die Tatsache, dass wir anscheinend auch dann viel gähnen, wenn wir uns eigentlich konzentrieren wollen. Wenn wir eigentlich aufpassen wollen. So wie die AthletInnen, die vor dem Start des Wettkampfes noch einmal kräftig gähnen, bereitet sich unser Körper auf etwas vor.


Photo by Sammy Williams on Unsplash

Soll also heißen, dass die KollegInnen, die in einem Meeting gähnen, oder der Freund, der während eines Gesprächs zu gähnen beginnt, nicht unbedingt alle gelangweilt sind. Im Gegenteil; das Gähnen repräsentiert den Versuch, Aufmerksamkeit und Fokus auf die gegenwärtige Situation zu richten.




Gähnen macht uns also nicht müder, es weckt uns direkt auf, und laut Barry et al. sogar genauso sehr wie ein Schluck Kaffee.


Hochansteckend

Es ist sicher schon jedem / jeder aufgefallen, dass Gähnen hochansteckend ist. Das ist nichts neues. Aber was für mich zumindest doch neu war, ist die Tatsache, dass wir vor allem dann in Solidarität gähnen, wenn wir die gähnende Person gut kennen, bzw. mögen.

Fremde > Bekannte > FreundInnen > Familie – Je besser wir die Person kennen und mögen, desto eher lassen wir uns von ihrem Gähnen anstecken.

Das zeugt von unserem unglaublichen Empathievermögen. Und wir sind nicht die einzigen; auch Schimpansen und andere Säugetiere wurden dabei beobachtet, dass sie sich vom sozialen Gähnen anstecken lassen, und zwar auch vor allem dann, wenn es sich um ihnen bekannte Tiere handelt.


Was will ich eigentlich mit diesem gesamten Blogbeitrag sagen, durch den sich jetzt vielleicht ein paar Menschen tapfer durchgegähnt haben?


Erstens ist es ein interessantes Thema, das in der Wissenschaft bisher vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit bekommen hat.

Zweitens sagen uns die bisherigen Studienergebnisse zwei Dinge, die wir in unser Leben einbauen können:

  • Nicht böse sein, wenn Menschen bei einem Vortrag oder während eines Gespräches gähnen – sie versuchen, aufzupassen! Man kann sich da ruhig geschmeichelt fühlen.

  • Und wenn Sie gähnen und Ihr Gegenüber gleich nachfolgt, haben Sie vielleicht eine engere Beziehung als gedacht ;)


 

Fun Fact zum Schluss; Wir Menschen gähnen am längsten (6 Sekunden lang) von allen bisher beobachteten Tieren. Das liegt, laut ForscherInnen daran, dass unsere Hirne am komplexesten sind und es dadurch etwas dauert, bis der Kühleffekt des Gähnens seine Wirkung zeigt.

 

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